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Nur ein Brückentag und dafür zwei Stunden Anrufbeantworter besprechen?

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Auf den Städtekurztrip nach Mailand hatte ich mich schon seit Wochen gefreut. Endlich hatte auch Kai von seinem Chef das O.K. für den Urlaub am Brückentag bekommen. Wir würden bereits am Mittwochabend fliegen und hätten bis Sonntagabend volle vier Tage.

Wenn nur nicht wieder das Problem mit dem Anrufbeantworter wäre. Wir hatten zwar seit kurzem ein brandneues Mailbox-System, doch ich traute den Beteuerungen unseres IT-Leiters nicht so ganz, wie einfach die neue Hiprocall Lösung zu bedienen sei. Zwei Kolleginnen hatten zwar auch schon von den neuen Telefonansagen geschwärmt – ich jedenfalls hatte noch keine Zeit gehabt, mich damit zu beschäftigen.

Ich wusste noch nicht einmal, wer mich vertreten würde, denn – logisch – wollten viele Kollegen am Brückentag freinehmen. Bei uns in der Rechtsabteilung betreuten wir gerade einen großen Patentstreit mit unserem größten Mitbewerber am Markt; unsere Abteilungsleiterin würde mir erst kurz vor 18 Uhr sagen könne, wer meine Vertretung übernehmen könnte. Was für ein Chaos war das beim letzten Mal, als ich einen Brückentag frei hatte. Ich war – tatsächlich – 1 Stunde mit der Ansage auf meinem Anrufbeantworter beschäftigt, denn ohne unseren IT-Leiter konnte man Ansagen, die auch nur minimal vom Standard abwichen, gar nicht selbst aufnehmen. Und dann wurde mir im letzten Moment auch noch eine neue Vertretung zugewiesen, so dass ein neuer Anrufbeantwortertext erstellt werden musste.

Dabei hatte ich meine Planungen für unser Programm in Mailand noch gar nicht abgeschlossen. Auch wenn ich es bei anderen nicht ausstehen kann, tippte ich in der Kantine unterm Tisch verstohlen auf meinem Handy herum, um noch einige gute Restaurant-Tipps auf meiner Mailand App herauszusuchen. „Na, schon im Shopping-Wahn?“, witzelte mein Kollege Simon und setzte sich schwungvoll neben mich. Ich setzte ein gespielt-empörtes Gesicht auf. „Das wird ein Kultur-Trip, spar Dir Deine Vorurteile. Und wie sieht´s bei Dir aus. Schon alles erledigt, was vor dem Urlaubstag ansteht?“ „So gut wie“, Simon hat das überlegene Lächeln echt gut drauf, „Eigentlich könnte ich gleich nach dem Mittagessen nach Hause gehen.“ Das konnte ich so natürlich nicht stehen lassen: „Ihr im Vertrieb, habt wohl nicht so viel zu tun?!“ Er zog noch nicht mal die Augenbraue hoch: „Doch, doch, Rüther hat eben verstanden, dass sein bester Mann mal Urlaub braucht, sonst breche ich noch zusammen und damit natürlich der ganze Laden.“

Da blieb mir nur noch ein Augenrollen und auf meine App schauen. Eines interessierte mich aber doch: „Schon Deinen Anrufbeantwortertext fertig?“ Auf einmal schaute Simon richtig freundlich: „Jahaa, Du kannst Dir die Stimme raussuchen, die Dir am besten gefällt – Mann oder Frau – für mich kam nur eine Frau in Frage – und… diese Stimme – kaum zu glauben, dass das nur eine Maschine ist.“ Doch jetzt bekam unser schlauer Simon Gegenwind von besser informierten Kollegen am Nebentisch: „Du bist wohl nicht im Bilde, das ist keine computergenerierte Stimme auf unserem neuen Anrufbeantworter-System. Das sind echte Sprecher, nur werden die einzelnen Ansagen dann vom Computer jedes Mal neu zusammengesetzt. Hört sich das etwa an wie die Frau von Deinem Navi?!“ Nein, definitiv nicht.

Mein Nachmittag war dann noch ziemlich vollgepackt. Während der Kaffeepausen überlegte ich mir, ob ich mich besser von einer Frauen- oder einer Männerstimme auf unserem Anrufbeantworter repräsentieren lassen wollte. Ich entschied mich für die klassische Version und wählte eine Frauenstimme.

Um 17.15 Uhr erfuhr ich endlich, wer mich vertreten würde. Mit leicht zittrigen Händen nahm ich mein Telefon zur Hand. Ich sah mich um – die anderen Kollegen waren schon weg. Was, wenn ich jetzt mit dem Anrufbeantworter nicht klarkommen würde? Also, die richtige Stimme fand ich schnell; sie klang sehr souverän und selbstbewusst. So gut könnte ich das selbst nie sprechen. Anschließend wählte ich als Anlass „Abwesenheit“ aus und hinterlegte meine Vertretung mit Namen und Rufnummer. Jetzt konnte ich mir meine fertige Ansage anhören. Perfekt! Wie lange hatte das jetzt gedauert: Drei Minuten? Oder waren es doch nur zwei. Ich packte meine Sachen und überlegte mir im Hinausgehen, ob ich beim nächsten Mal nicht eine Männerstimme auf dem Anrufbeantworter ausprobieren könnte.

Kirsten Bohlender, Juristin in der Rechtsabteilung eines Automobilherstellers